Bindemittel, was ist das eigentlich?

Bindemittel, das ist die geheimnisvolle Zutat, die die verschiedenen Bestandteile einer Farbe miteinander verbindet.

Naja, vielleicht ist sie gar nicht so geheimnisvoll. Was das Thema kompliziert macht, ist, dass es nicht eine Zutat ist. Es gibt ganz unterschiedliche Bindemittel – und sie haben große Auswirkung darauf, wie sich Farbe verhält und wie man mit ihr umgeht.

Möwe mit Graffity Fragezeichen

Und warum muss es so kompliziert sein? Wozu gibt es verschiedene Bindemittel (oder Binder)?

Ganz einfach: Weil Farbe für ganz unterschiedliche Dinge verwendet wird.

Und weil Künstler:innen bei ihrer kreativen Suche nach Möglichkeiten früher oder später jedes Material ausprobieren. Deswegen findet ihr immer wieder neue Dinge in Kreativ-Läden.

Sogar beim Künstlermaterial gibt es soetwas wie „Trends“. Genau wie ihr das bei Kleidermoden beobachten könnt, sind auch kreative Techniken eine Weile lang in, dann fast vergessen – und werden nach ein paar Jahren wieder „entdeckt“. Marmorieren zum Beispiel, Encaustic oder Glasmalerei.

Natürlich gibt es auch die Farben, die viele Künstler:innen immer wieder verwenden. Der Umgang damit wird an Kunsthochschulen und in Malkursen, in Schulen und Kindergärten gelehrt. Dadurch lohnt es sich für die Hersteller, sie durchgängig zu produzieren. Aus diesem Grund findet ihr im Künstlerbedarf zuverlässig Öl-, Aquarell- und Acrylfarben, Gouache, Tusche, Pastelle, Kohle und Bleistifte.

Aber das war nicht immer so.

Und damit kommen wir in einem großen Bogen durch die Vergangenheit wieder zurück zum Thema Bindemittel:

Denn früher – ganz, ganz früher, vor einigen tausend Jahren früher – mischten Künstler:innen ihre Farben selbst. Und zwar nur mit dem, was sie auf ihren Wanderungen fanden oder tauschten. Vom Künstlerbedarf, Lieferdiensten oder Bestellungen online war noch nicht die Rede.

Auch Malerei war damals etwas anderes. Schrift, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht. Die Bilder sollten den Betrachtern etwas mitteilen. – Und es wird von Historiker:innen und Forscher:innen angenommen, dass die Malereien nicht nur zu den Menschen „sprechen“, sondern auch Magie oder heilige Verehrung in sich tragen sollten.

Ganz schön viel Verantwortung für Künstler:innen, oder?

Kein Wunder, dass sie versucht haben, ihre Werke möglichst dauerhaft, mit möglichst viel Ausdruck zu schaffen. Aber: ging denn das überhaupt, mit etwas Kohle, schlammigem Lehm und zermahlenen Steinen?

Ich finde: auf jeden Fall! Vielleicht sehr ihr euch mal einige Fotos von den Höhlen in Lascaux an – oder die wunderbare animierte Online-Führung vom französischen Ministerium für Kultur.

Und wenn euch diese Darstellungen verzaubern: Die Aborigines in Australien haben eine ähnlich alte traditionelle Kunst – die aber bis heute fortgesetzt wird.

Und was hat das jetzt mit Bindemittel zu tun?

Jede Menge! Denn das Bindemittel hält nicht nur die Zutaten der Farben zusammen. Es sorgt auch dafür, dass sie auf einen Untergrund haftet und nicht einfach wieder abgewaschen oder abgewischt wird. Und sowohl die frühen Maler:innen von Lascaux, wie auch die in Australien haben dafür geeignete Zutaten gefunden – unabhängig voneinander. Denn sie sind sich bestimmt niemals begegnet.

Damit haben wir dann auch schon alle Bestandteile einer ersten Erklärung, warum es so viele verschiedene Bindemittel gibt:

  • Die Künstler:innen (oder Farbenhersteller:innen) können nur das Material benutzen, das sie haben oder bekommen / bezahlen können.
  • Das Bindemittel muss geeignet sein, die anderen Zutaten der Farbe zu verbinden – so, dass das fertige Bild möglichst lange erhalten bleibt.
  • Der Binder muss die Zutaten auf dem jeweils vorgesehene Untergrund „befestigen“ können, und der/die Künstler:in muss das mit den Werkzeugen machen können, die er/sie dafür zur Verfügung hat.

Ein Stück weiter unten im Post findet ihr diese Punkte noch mal etwas genauer betrachtet wieder.

Erst bleiben wir aber in der Vergangenheit, diesmal im Mittelalter:

Bestimmt habt ihr schon von den prächtigen Buchmalereien aus dieser Zeit gehört. Auch diese Werke wurden nicht „einfach so“ geschrieben und gemalt. Die Künstler waren Mönche und die Texte und Motive, die auf den Buchseiten festgehalten wurden, waren für sie heilig.

Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, seht euch doch mal Bilder aus den „Lindisfarne Gospels“ oder dem „Book of Kells“ an. Und falls ihr interessante Filme lieb: Es gibt einen wunderbar kunstvollen Comic-/Zeichentrickfilm zu diesem Thema, „Das Geheimnis von Kells (The Secret of Kells)“

Wie würden die Bücher wohl aussehen, wenn die Mönche die gleichen Zutaten für Farben verwendet hätten, wie die früheren Künstler:innen in Lascaux?

Ich vermute, es hätte die Bücher gar nicht gegeben. Oder wenn, dann wäre das meiste inzwischen wieder von den Seiten gerieselt. Denn das Bindemittel hätte nicht gepasst.

Was für eine traurige Vorstellung.

Wodurch konnte man im Mittelalter Bücher gestalten?

Es gab eine viel größere Anzahl an Rezepten und Zutaten für Tusche, Tinte, Farben zum Malen, Mittel um Gold auf Pergament haften zu lassen – denn es gab internationalen Handel.

Damit waren die Möglichkeiten – theoretisch – grenzenlos.

Praktisch hing es damals (wie heute) von den Fähigkeiten und Kenntnissen der Künstler:innen ab. Und vom Preis. Besonders vom Preis. Viele Zutaten in Farben waren kostbar. Und daher musste ein Auftraggeber vorallem eines sein: Reich. Das waren die großen Klöster und die adligen Auftraggeber.

Die Zutaten kamen von weit her: Nicht nur Gold und Silber, auch Perlmutt, Gummi Arabicum, und die vielen besonderen Pigmente, die aus ungewöhnlichen („Indisch Gelb“, „Purpur“) und seltenen Zutaten („Ultramarin“, „Lapislazuli“) gewonnen wurden.

Ein:e Maler:in oder Handwerker:in, der/die die besonderen Rezepte kannte, um mit Rohstoffen wie diesen Kunstwerke zu schaffen, hatte bestimmt immer Kunden.

Viele Rezepte waren Teil des Berufsgeheimnisses. Und Bindemittel, die dafür sorgten, dass die Farbe das tat, was man von ihr erwartete, waren der Schlüssel dazu. Diese Rezepte wurden gut, sehr gut gehütet und nur an ausgewählte Personen weitergegeben. Das besondere Fachwissen sicherte das Einkommen: War man zum Beispiel als Färber:in bekannt, der/die Gewebe in wundervollstem, haltbaren Blau lieferte, konnte man auch höhere Preise verlangen …

Und jetzt sind wir im „Heute“ angekommen.

Wenn wir in den Laden für Künstlerbedarf gehen, haben wir eine fast unbegrenzte Auswahl. So viele verschiedene Farben. Und so vielen verschiedenen Bindemitteln. Vorbei sind die Zeiten, wo wir die geheimen Rezepturen hätten kennen müssen. Oder wir hoffen mussten, dass ein besonderes Pigment über einen langen und gefährlichen Handelsweg zu uns kommt und wir einige Gramm farbiges Pulver mit Gold bezahlen.

Ein Arm voller Kunst

Eigentlich haben wir es ganz schön gut, oder?

Wenn wir jetzt verstehen, was der Binder in der Farbe macht, dann wissen wir auch ziemlich genau, was wir mit den Farben machen können.

Und weil Bindemittel mehrere Dinge gleichzeitig können muss, teile ich das mal in drei Fragen auf:

Welches Bindemittel wird für die Farbe verwendet?

Denn damit ist auch bestimmt, um welche Art Farbe es sich handelt. Zum Beispiel

Mit Öl gebunden = Ölfarbe
Mit Acrylat gebunden = Acrylfarbe
Mit wasserlöslichem Harz (wie Gummi Arabicum) gebunden = wahrscheinlich Aquarellfarbe. Oder Gouache. Vielleicht auch Tusche. Es kommt darauf an … – Schade, es hätte so unkompliziert sein können. Aber als Beispiel reicht es aus. (Wer es genauer wissen möchte: Ein entsprechender Post folgt.)

Daran kann man gut sehen, dass das Bindemittel bestimmt, ob die Farbe mit Wasser verdünnt werden kann (Ölfarbe nicht). Ob sie nach dem Trocknen wasserfest ist (Aquarellfarbe nicht). Und auch, wie schnell sie trocknet (Acrylfarbe sehr schnell).

Das sind nur ein paar Möglichkeiten. Das es noch viele Bindemittel mehr gibt, liegt auch an den folgenden zwei Fragen:

Für welchen Untergrund / Malgrund ist die Farbe bestimmt?

Denn der Binder soll ja dafür sorgen, dass die Farbe am Untergrund haften kann. Wer zum Beispiel schon mal versucht hat auf einer glatten, geschlossenen Fläche (Glas, Metall, einem frischen Pflanzenblatt …) mit Aquarellfarbe zu malen, weiß, dass das ziemlich sinnlos ist. Die Farbe zerläuft und lässt sich einfach wieder abwischen. Für Lack oder Acrylfarbe wäre der Untergrund dagegen kein Problem.

Für Bodypainting / Körperbemalung würde ich die beiden dagegen nicht empfehlen. Sie schaden der Haut. Und außerdem möchte das bemalte Modell die Malerei irgendwann ja auch wieder abwaschen.

Aber vielleicht soll die Farbe auch richtig in den Grund einziehen und nicht mit einer zusätzlichen Schicht darauf liegen. Wie ist es für Kleidung? Oder gefärbte Haare? Auch in diesen Bereichen wird Farbe verwendet – und wer sich schon mal versehentlich Acrylfarbe auf Hose oder in den Zopf gekleckst hat weiß, dass das eher unangenehm ist.

Der Binder muss also auch gut zu dem (Mal-)Grund passen, an dem die Farbe haften soll. Aber einfach nur „festkleben“ reicht nicht aus, wie wir gerade gesehen haben. Daher ist die dritte Frage:

Was soll die Farbe aushalten und „können“?

Es ist also nicht genug, wenn das Bindemittel die Farbe einfach irgendwie mit dem Untergrund verbindet.

Sie muss sich zum Beispiel auch angenehm anfühlen (Haarfarbe). Oder auswaschbar sein (Schneidermarkierungen). Oder gerade nicht auswaschbar sein (Textilfärbemittel). Sie muss lichtbeständig sein (ausgestellte Kunst), und Wind, Regen und Schnee aushalten (Fassadenwandfarbe). Sie muss ungiftig sein (Lebensmittelfarbe) oder hautfreundlich (Make-Up). Und elastisch oder starr, radierbar, druckbar, geruchsneutral oder sogar wohlriechend … und … und … und …

Farbe muss tatsächlich etwas können. Und das klappt eben am besten, wenn das Bindemittel zu dem passt, was man mit der Farbe macht.

Eigentlich ganz einfach, oder?

Vielen Dank, dass ihr mich durch diesen langen Text begleitet habt.

Ich hoffe, ich konnte euch damit einen Überblick geben, wozu der Binder eigentlich in der Farbe ist. So ist es viel einfacher, Bilder zu planen. Weil ihr leichter einschätzen könnt, wie eure Farben sich verhalten – und auch, welche Arten zusammenpassen (z.B. bei Mixed Media).

Wenn ihr Fragen dazu habt, schreibt mir gerne.

Oder hinterlasst einen Kommentar: Welche Farben verwendet ihr am liebsten? Und warum? Was macht sie so besonders für euch?

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